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Judengasse

Die Frankfurter Judengasse war das von 1462 bis 1796 bestehende jüdische Ghetto in Frankfurt am Main. Es war das erste und eines der letzten seiner Art in Deutschland vor der Epoche der Emanzipation im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. In der frühen Neuzeit lebte hier die größte jüdische Gemeinde Deutschlands.

12 April 2023 Katja Janitschek

Über 300 Jahre, von 1462 bis 1796, musste die jüdische Bevölkerung Frankfurts in der Judengasse, dem ältesten jüdischen Ghetto Europas, wohnen. Bereits 1432 gab es den Plan ein Ghetto zu errichten. Vor der zwangsweisen Umsiedlung hatte die jüdische Bevölkerung ihre Synagoge, ihre Verkaufsstände und ihre Wohnhäuser unweit des Doms.

Die neu eingerichtete Gasse lag außerhalb der ersten Stadtmauer (Staufenmauer) im Osten der Stadt, wo sich seit 13. Jahrhundert bereits der jüdische Friedhof befand, und verlief bogenförmig von der Konstablerwache fast bis zum Main. Sie war ca. 330 Meter lang, drei bis vier Meter breit und hatte drei Stadttore. Nachts und an allen christlichen Feiertagen, wozu auch der Sonntag zählte, blieben diese Tore -bis auf wenige Ausnahmen- verschlossen. Lebten dort zu Beginn lediglich ca. 15-20 Familien, waren es im 18. Jahrhundert bereits über 3000 Menschen.

Damit gehörte die Frankfurter Judengasse zu den dichtbesiedelten Orte Europas. Zahlreiche Besucher berichteten von der dort herrschenden drangvollen Enge und der Armut. Dennoch beherbergte die Frankfurter Judengasse ab dem 16. Jahrhundert die größte und bedeutendste jüdische Gemeinde im deutschsprachigen Raum. Sie war zudem lange Zeit die einzig verbliebene Gemeine in einer deutschen Großstadt.

Die Frankfurter Judengasse war eine Stadt in der Stadt. Während die religiösen Texte in Hebräisch gelesen wurden, sprach man untereinander Jiddisch. Die Verwaltung, die aus sog. Baumeistern und Kastenherren bestand, war, ganz nach dem Vorbild des Ratssystems der Stadt Frankfurt, oligarchisch aufgebaut. Innerjüdische Belange waren alleinige Angelegenheit der Jüdischen Gemeinde. Ihr oblag die niedere Gerichtsbarkeit und die damit verbundene Strafvollstreckung. So war ihr erlaubt, Geldstrafen zu verhängen oder sogar nicht aus Frankfurt stammende Gemeindemitglieder auszuweisen.

Das religiöse Leben im Ghetto wurde von den drei Synagogen und neun Jeschiwot bestimmt.

Bedeutende Rabbiner lebten und lehrten hier. Der Oberrabbiner der Stadt Frankfurt musste jedoch immer von außerhalb angeworben werden. So wollte man sicherstellen, dass er der Gemeinde unparteiisch gegenübertreten konnte und keine der prominenten Familien durch die Besetzung dieses hohen Amtes zu viel Macht gewann.

Tagsüber, wenn die Tore geöffnet waren, herrschte in der Judengasse ein stetes Kommen und Gehen. Christliche Handwerker arbeiteten hier und viele Einwohner der Frankfurter Judengasse unterhielten kleine Geschäfte im Erdgeschoss ihrer Häuser, die sowohl jüdische als auch christliche Kunden anlockten. Gleichzeitig waren jüdische Händler in der Stadt unterwegs, um ihre Waren feilzubieten oder z.B., auch das kam vor, in einem christlichen Wirtshaus Karten zu spielen.

Der Frankfurter Rat verweigerte stets eine Erweiterung des Ghettos (bis auf ein 1735 außerhalb des südlichen Endes errichtetes Lagerhaus) und mischte sich zudem immer wieder in die Bautätigkeit innerhalb der Gasse ein. Nachdem sie 1711 vollständig und 1721 zum Teil niedergebrannt war, wurde ihr Wiederaufbau jeweils mit großem Druck vorangetrieben, da Juden nicht länger als unbedingt nötig in anderen Teilen der Stadt logieren sollten. Im Zuge der durch die Französische Revolution ausgelösten Kriege wurde Frankfurt von französischen Truppen belagert und besetzt. Der Beschuss der Stadt traf auch den nördlichen Teil des Ghettos. Die Judengasse war also von außen zerstört worden und die Bewohner durften sich nun auch im christlichen Teil der Stadt niederlassen. Ein Versuch der Stadtverwaltung, den Ghettozwang nach der Niederlage Napoleons und des Endes der französischen Besatzung wieder durchzusetzen blieb erfolglos und die Beschränkungen fielen endgültig.

In der Folgezeit verelendete die ehemalige Judengasse zusehends und wurde Ende des 19. Jahrhunderts in zwei Phasen abgerissen. Der Großteil der verbliebenen Bevölkerung zog nun in nahegelegene Häuser im Ostend. Am südlichen Ende des ehemaligen Ghettos, das 1885 den Namen Börneplatz erhielt, wurde 1882 eine neue Synagoge eingeweiht. Nach 1945 blieb das Areal unbeachtet. Es wurde als Parkplatz, als Tankstelle und Blumengroßmarkt genutzt, bis die Stadtwerke in den 1980er Jahren ihr neues Verwaltungszentrum dort errichten wollten. Als die Bauarbeiten archäologische Zeugnisse sowohl der von den Nazis zerstörten Börneplatzsynagoge, als auch der älteren Judengasse zutage förderten, begann ein bundesweit ausgetragener Streit darüber, was mit diesen bedeutenden Spuren geschehen solle. Von den ursprünglichen 195 Häusern blieben fünf Fundamente erhalten. Es handelt sich dabei um die Häuser Warmes Bad, Steinernes Haus, Weißer Widder, Roter Widder und Sperber. Die Fundamente sind heute begehbar. Im Museum Judengasse kann man so den Alltag, die Wohnsituation und die religiösen Bräuche der jüdischen Bevölkerung nachvollziehen.

Alle Häuser der Judengasse

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